stenographique

Falsche Freunde: Dachlatten und Avantgarde

In medien on 17/01/2015 at 13:31
Ein Wasserhahn auf dem Misthaufen, ein königliches Schloss an der Spindtür, ein Kieferzapfen beim Zahnarzt. Homonyme wie „Hahn“, „Schloss“ oder „Kiefer“ stellen die Allermeisten zwar nicht ernsthaft vor sprachliche Herausforderungen, treiben mitunter aber kuriose Stilblüten aus – besonders, wenn die Bedeutungen weit weit auseinander liegen. Heute im Fokus: Die Volksstimme und das Bauhaus.

Die Regionalzeitung aus Sachsen-Anhalt berichtete gestern in ihrer Online-Ausgabe davon, dass die Kultusminister der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin, Niedersachsen und Baden-Württemberg nun auch den Bund und das Bundesland Rheinland-Pfalz bei der Planung der Feierlichkeiten an Bord haben. Bei der Frage, was die hohen Volksvertreter da eigentlich feiern wollen, kamen der Online- und Schlussredakteur der Volksstimme offenbar geringfügig durcheinander. Sie stolperten über das Homonym „Bauhaus“ und bebilderten einen Artikel über den Kunst- und Architekturstil mit seitenfüllend mit dem Logo der großen Baumarktkette, die gerade Winkelschleifer im Angebot hat. Ein gefundenes Häppchen für kleingeistige Klugscheißer wie stenographique…

Bauhaus oder Bauhaus

Bleibt zu hoffen, dass ich Montag noch zur Arbeit zurückkehren darf. Dem Angestellten einer Sprachschule ist ein Artikel über „Homophone“ schließlich vor nicht allzulanger Zeit im prüden Utah zum Verhängnis  geworden…

Vielen Dank an die aufmerksamen Leser Elke und Peter.

Viel hilft viel: Mit Big Data zum perfekten Maßhemd

In marketing on 14/07/2014 at 16:06
Für Online-Maßschneider sind es immer noch schwere Zeiten: Die Shitstorms um schlecht passende Hemden, lange Lieferzeiten und miserablen Kundenservice (wir berichteten) haben bei vielen Kunden verbrannte Erde und die feste Überzeugung „Einmal und nie wieder!“ hinterlassen. Doch in der Zwischenzeit hat sich einiges getan und die große Idee vom Online-Maßschneider wiederbelebt: Neue Anbieter sind in den Markt gestoßen, der ehemalige Branchenprimus hat sich (wieder einmal) neu erfunden und neue Vermessungstools sollen das Problem der unpräzisen Selbstvermessung in den Griff bekommen.

 

Messen mit Datenmassen

Der Hamburger Maßschneider Tailorjack setzt hierbei auf riesige Bestände von Maßprofilen. Die Idee: Je mehr Daten das System kennt, umso genauer kann es die optimale Passform für einen Kunden berechnen, der dann nur noch einige wenige und leicht zu messende Werte eingeben muss. Das sog. easyfit-System (Tailorjack verspricht „Messen ohne Maßband“) verfügt mittlerweile über mehrere Hunderttausend Maßdaten und basiert auf der Idee, dass anatomische Verhältnismäßigkeiten bei nahezu allen Kunden identisch und damit treffsicher vorhersagbar sind – mit zwei Ausnahmen: Die Kragenweite und Ärmellänge variieren zu stark, als dass sie zuverlässig prognostiziert werden könnten. Für alle anderen Maße genügen Körpergröße, Gewicht und ein paar qualitative Profilangaben. Tailorjack verspricht eine Trefferquote von „nahezu 100%“.

Easyfit im Test

Herausforderung angenommen… Um zu bewerten, ob die von easyfit berechneten Maße auch mit meinen echten Messwerten übereinstimmen, lasse ich mir also auf Basis von Kragenweite, Körpergröße und Gewicht meine Maßdaten ermitteln und vergleiche mit meinen tatsächlichen Werten. Wer seine Daten nicht kennt, kann natürlich auch ein perfekt passendes Hemd zu Hause ausmessen. Hält easyfit, was es verspricht? Hier mein persönliches Ergebnis:

Mein Maßprofil:

Hals 38.00   |   Brust 101.00   |   Taille 88.00   |   Gesäß 105.00   |   Hemdlänge 77.00   |   Schulter 44.00   |   Ärmellänge 65.50   |   Umfang Handgelenk 19.00   |   Umfang Bizeps 33.00

Mein Maßprofil laut easyfit:

Hals 38.00    |   Brust 101.00   |   Taille 87.00   |   Gesäß 101.00   |   Hemdlänge 78.00   |   Schulter     47.00   |   Ärmellänge  66.00   |   Umfang Handgelenk 19.00   |   Umfang Bizeps 32.00

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Geburtstagsgrüße von der Bahn: Ein ICE zum Selberbasteln

In marketing on 25/05/2014 at 09:47
Dank Bahncard, BahnBonus, Newsletter-Abo und Reise-App bin ich ein offenes Buch für die Bahn: Sie weiß, wie ich heiße, wohin ich fahre, wann ich Geburtstag habe. So war die Überraschung neulich nicht allzugroß, als eine Mail mit dem Betreff „Herzlichen Glückwunsch“ pünktlich in meinem Postfach landete. Darin abgebildet: Ein explodierendes Geschenk, aus dem Lichtblitze und bunte Luftballons herausquollen. Daneben ein Link („zur Überraschung“) und ein neugierig machender Text: „Unsere Geburtstagsplanung haben wir dank Ihrer Mithilfe erfolgreich abgeschlossen und Ihr ganz persönliches Geschenk wartet schon auf Sie.“

 

Voller Erwartung – schließlich meinte ich mich erinnern zu können, in den letzten Jahren häufiger Freifahrten, Mitfahrerguscheine oder irgendwelche Rabatte bekommen zu haben – den Klick gesetzt, dann die angekündigte Überraschung: Ein Bild mit einem ICE, der aus einer Farbbeutelattacke von Castor-Gegnern zu kommen scheint (später erkennt man, dass er eigentlich bunt geschmückt ist) und meinen Namen trägt, davor eine Bahnschaffnerin mit einer Schwarzwälderkirschtorte in der Hand, von beiden Seiten fliegen bunte Luftballons in die Szenerie und auf den Gleisen wachsen Margeriten – an Skurilität kaum zu überbieten. Denkt man zumindet. Bis man das Scrollrädchen der Maus einmal dreht und das Geschenk die echte Überraschung auf dem Bildschirm erscheint. Anschnallen bitte, zum Geburtstag gibt’s von der Bahn das Schnittmuster eines ICEs zum Selberbasteln!

Reich beschenkt von der Bahn: Wir basteln uns einen ICE

Reich beschenkt von der Bahn: Wir basteln uns einen ICE

Nach Jahren treuer Gefolgschaft und Unmengen von Daten, die ich bei der Bahn hinterlassen habe, weiß mein liebstes Schienentransportunternehmen offenbar erstaunlich genau, was ich mir von Herzen wünsche.

Ein echtes Meisterstück in Sachen Kundenbindung! Denn steckt nicht in allen von uns ein verkappter Eisenbahn-Evangelist? Ernsthaft: Gut für die Bahn, dass man Monopolist ist – in einem Markt mit vorhandenen Alternativen wären definitiv ein paar ernsthaftere Gedanken zur Begeisterung der lieben Kundschaft notwendig. Hätte, wäre, könnte. Noch ist es für die Bahn im öffentlichen Personentransport recht muggelig, allen Tourenbussen und Mitfahrgelegenheiten zum Trotz. Und so können wir uns in den nächsten Jahren vielleicht auf eine Schaffnerkelle zum Ausmalen, den heiteren Liedtext von „Eine SeeBahnfahrt, die ist lustig!“ oder ein avangardistisches Film-Epos aus nichts als Verspätungsmeldungen freuen…